Welche Auswirkungen die Pandemie auf die Gesellschaft haben wird, können wir noch nicht wissen. Zukunftsforscher sprechen auch von neuen Chancen durch die Krise. In der Lebensrealität nicht weniger Menschen sieht es aber nach genau dem Gegenteil aus.
Im März appellierte der Deutsche Schriftstellerverband PEN an Politik und Medien, den Ausdruck „soziale Distanz“ durch Begriffe wie physische Distanz oder körperlichen Abstand zu ersetzen. Soziale Distanz klinge wie ein Begriff aus dem Wörterbuch des Neoliberalismus, sagte PEN-Präsidentin Regula Venske. Dabei sei jetzt soziale Nähe, Kooperation und Verantwortung füreinander gefragt. „Man mag sagen, dass es dringlichere Probleme gibt, als Worte auf die Goldwaage zu legen. Aber Sprache prägt unser Denken und unser Verhalten“, so Venske.
Auch Dr. Roman Wittig vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig findet „Social Distancing“ wenig passend und schlägt „Spatial Distancing“ vor. „Räumlich müssen und sollten wir zwei Meter Abstand halten. Aber ,socially‘ müssten wir im Moment besonders eng sein und uns gegenseitig unterstützen, schließlich befinden wir uns aufgrund der Pandemie in einer permanenten Stresssituation“, sagt er.
Integrative Appelle trotz andauernder Stresssituation
Und, haben wir das getan, haben wir uns gegenseitig unterstützt? Wer ist überhaupt wir? Der Blick auf die Gesellschaft schien im Laufe dieses Coronajahres immer widersprüchlicher. Dabei schien das Land zunächst einen integrativeren Umgang mit der Krise gefunden zu haben als viele andere Gesellschaften.